29 August, 2008

Wie sich Ingersoll der Wahrheit nähert

Ein Bibelleser hatte in ein Gästebuch geschrieben: "Dem 'Weisen' ist die Bibel allerdings eine Torheit - war bei mir genauso, solange ich versucht habe, sie zu verstehen!!!! Vertrauen ist der Schlüssel und das ist gar nicht so einfach!"

Über Dutzende Generationen wurden und werden Heerscharen von Interpreten für die Sisyphusarbeit herangezogen, in der Bibel gesammelte Ungereimtheiten dem Publikum schmackhaft zu machen. Es wird gesagt, das seien also von "höheren Wesen" inspirierte Bilder, wörtlich zu nehmen nur da, wo der Bibelspezialist es gut heißt uswusf.

Kann man sich anstelle der von religiös geprägten Bibelinterpreten vorgegebenen Weise einen vernünftigen Zugang zu den Wirrungen des Bibeltextes verschaffen? Man kann.

Zu Robert Ingersolls Talenten hat es gehört, sich von eingetrichterter Verklärung zu lösen und den Text unverstellt zu besehen. Und so wie er die Sache sieht, fügt sich alles wieder in ein klares Bild: Wenn die Bibel von irgendetwas inspiriert ist, dann nicht von "höheren Wesen", sondern von nichts, nichts anderem als dem Unwissen antiker Nomaden. Da wächst eben das Gras, bevor die Sonne gemacht ist, da ist eben der Himmel etwas, wo am dritten Tag die Sterne angebracht werden, Mond und Sonne als handliches Licht, das mal schnell für ein paar Stunden anzuhalten einem Gott weniger Mühe macht als eine Krankheit zu heilen, da treten eben sämtliche(!) Tiere an, um vom Mann ihren Namen zu erhalten (die Frau war ja noch nicht da), also die Art Märchen, die urgeschichtliche Nomaden sich ausdenken könnten, um die Sippe im Zelt bei Laune zu halten es ist erfrischend, Ingersoll zu lesen. Und es ist bemerkenswert, dass vor weit über hundert Jahren Stadt- und Kirchenväter Ingersoll das Podium gegeben haben, Leute auf die Weise zum kritischen Denken anzuregen.

26 August, 2008

Darf man Gottes Existenz bestreiten?

Wenn Herr Beckstein sagt, dass der Gott der Muslime ein anderer sei als der der Christen, dann gibt es vernünftigerweise nur zwei Möglichkeiten. Entweder glaubt Herr Beckstein tatsächlich an zwei Götter (was ihn evtl. in Erklärungsnot gegenüber dem Vatikan brächte), oder er bestreitet, dass der "andere", also der der Muslime tatsächlich existiert. Im Gegenzug darf er natürlich davon ausgehen, dass die Muslime die Existenz des Gottes bestreiten, an den Herr Beckstein glaubt. Die Existenz der allermeisten Götter und Gottheiten (Hochrechnungen reichen bis 100000) wird von den allermeisten Menschen bestritten. Buddhisten, Christen, Juden, Muslime und Atheisten sind sich darin einig, die Existenz (fast) aller Götter zu bestreiten. Theisten bestreiten die Existenz aller Götter bis auf die Existenz der jeweils eigenen, Monotheisten bestreiten – wie Herr Beckstein – die Existenz aller Götter bis auf die Existenz eines einzigen der 100000 – des jeweils eigenen. Fazit: Im Mittel wird aller Götter Existenz von der Mehrheit der Menschen bestritten, sie werden üblicherweise als literarische Erfindung angesehen, was auch in Ordnung ist.